"Die Regierung handelt schizophren"Streit um Studiengeb�hren
"Die Regierung handelt schizophren"
Studierende bekommen nicht genug Teilnehmer f�r ihren Geb�hren-Boykott zusammen. Bereits an 16 Unis scheiterte die Aktion, nun endete die Frist in Freiburg, Heidelberg und Stuttgart. Das Mitglied des unabh�ngigen Studierendenausschusses (u-asta) aus Freiburg, Benjamin Greschbach, gibt sich im tagesschau.de-Gespr�ch weiter k�mpferisch. Es sei erschreckend, wof�r die Geb�hren tats�chlich verwendet w�rden.
tagesschau.de: Bis gestern haben sich am Geb�hren-Boykott in Freiburg 2100 Studierende beteiligt - 5500 w�ren n�tig gewesen. �hnlich sieht es in Heidelberg und Stuttgart aus, wo die Frist ebenfalls jetzt abl�uft. In 16 weiteren Unis ist der Boykott an mangelnder Beteiligung bereits gescheitert. Wie erkl�ren Sie sich das?
Benjamin Greschbach: Die Studierenden lehnen Studiengeb�hren auf breiter Front ab. In einer Umfrage haben sich 80 Prozent gegen die Einf�hrung ausgesprochen. Sich dann aber tats�chlich an einem Boykott zu beteiligen, ist ein gr��erer Schritt. Das bedeutet einen gewissen Aufwand. Wir haben versucht, die Betroffenen zu informieren und zu �berzeugen. Immerhin hat bis gestern Abend jeder zehnte die Zahlung vorl�ufig verweigert. Das reicht zwar nicht f�r einen Boykott - aber ein deutliches Zeichen gegen ein ungerechtes Gesetz ist das auch.
tagesschau.de: Hoffen nicht auch viele, f�r die 500 Euro pro Semester eine bessere Lehre zu erhalten und finden Studiengeb�hren deshalb gar nicht so schlimm?
Die Boykott-Aktion:
Die Studierenden wurden aufgefordert, die Geb�hren in H�he von 500 Euro statt an die Universit�ten auf Treuhandkonten zu �berweisen. Die meisten unabh�ngigen allgemeinen Studierendenaussch�sse (u-asta) legten eine Mindestbeteiligung von 25 Prozent fest. F�r diesen Fall sollte das Geld zun�chst einbehalten und mit den zust�ndigen Stellen �ber die Studiengeb�hren verhandelt - und im Idealfall an die Studierenden zur�ck�berwiesen werden. Hinter der Aktion steckte die Idee, dass keine Universit�t es sich leisten kann, ein Viertel ihrer Studenten zwangsweise zu exmatrikulieren.
Greschbach: Das glaube ich nicht. Wir haben recherchiert, was mit den Geldern wirklich gemacht wird. Mit den Ergebnissen konnten wir viele Leute �berzeugen, die sich eigentlich schon mit Studiengeb�hren abgefunden hatten. Die haben dann gesehen: Moment mal, wenn das Geld so eingesetzt wird, dann kann ich damit auch nicht einverstanden sein. Manche Institute bei uns haben nach der Einf�hrung der Studiengeb�hren sogar weniger Geld als vorher, weil das Land so viele Mittel gestrichen hat.
tagesschau.de: Auf der Homepage der Universit�t Freiburg hei�t es, die Studiengeb�hren w�rden vollst�ndig f�r Studium und Lehre eingesetzt.
Greschbach: Das weisen wir strikt zur�ck. Das ist nichts anderes als die politische Interpretation des Rektors. Aber auch er kann nicht bestreiten, dass zum Beispiel 1,5 Millionen Euro direkt in die Forschung gesteckt werden sollen. Oder dass die Geb�hren f�r Verwaltungskosten eingesetzt werden. Da wird jetzt �berall viel getrickst. Universit�ten �berlegen sich beispielsweise: Tutorien bezahlen wir k�nftig aus Studiengeb�hren und nicht mehr aus dem zentralen Haushalt. Dann kann der zentrale Haushalt die Heizkosten finanzieren.
tagesschau.de: In Freiburg war es doch auch im Gespr�ch, die Studiengeb�hren f�r Heizkosten einzusetzen?
Greschbach: Genau. An anderen Universit�ten - zum Beispiel in Ulm - ist diese Diskussion auch noch immer aktuell. Allein die Argumentation, die es bei uns damals gab, ist entlarvend. Die Hochschulleitung hat das so gerechtfertigt: Eine Lehre in kalten R�umen ist keine ordentliche Lehre, deshalb haben auch Heizkosten etwas mit Studium und Lehre zu tun. Inzwischen hat das Land hierf�r aber doch noch zus�tzliche Mittel zur Verf�gung gestellt, deshalb ist das bei uns kein so gro�es Thema mehr.
tagesschau.de: Wie geht es nach dem gescheiterten Boykott denn jetzt weiter?
Greschbach: Das endg�ltige Ergebnis liegt noch nicht vor. Wenn sich dann aber herausstellt - wonach es im Moment aussieht - dass zu wenig Leute mitgemacht haben, dann wird das Geld weiter�berwiesen an die Universit�t, so dass alle Beteiligten rechtzeitig und ordnungsgem�� zur�ckgemeldet sind.
Trotzdem geht der Protest gegen Studiengeb�hren weiter. Zum einen auf juristischem Weg. Es gibt zahlreiche Rechtsexperten, die der Meinung sind, dass das Landeshochschulgeb�hrengesetz in Baden-W�rttemberg nicht verfassungsgem�� ist. Da liegen gerade die Musterverfahren bei den Verwaltungsgerichten vor. Zum anderen setzen wir den Protest auf politischer Ebene fort.
tagesschau.de: Die Bundesregierung hat sich zum Ziel gesetzt, k�nftig mindestens 40 Prozent eines Jahrgangs ein Studium zu erm�glichen.
Greschbach: Aber alle Entscheidungen, die getroffen werden, gehen in die entgegengesetzte Richtung. Im internationalen Vergleich liegen wir weit zur�ck. In skandinavischen L�ndern studieren beispielsweise 60 bis 70 Prozent eines Jahrgangs. In Deutschland besteht also dringender Handlungsbedarf. Doch alle aktuellen Reformprojekte, von Studiengeb�hren bis zur Nichterh�hung des Baf�gs, was ja gestern beschlossen wurde, f�hren dazu, dass weniger Leute studieren. Wenn man die Bedingungen zum Beispiel beim Baf�g verbessert, dann studieren mehr Leute - gerade auch aus sozial schw�cheren Schichten. Das hat man in der Vergangenheit mehrfach gesehen. Andersherum gibt es einen Abschreckungseffekt.
Sowohl von der Bundesregierung als auch von der Landesregierung ist es einfach schizophren, das Baf�g nicht zu erh�hen, Studiengeb�hren einzuf�hren und trotzdem so zu tun, als ob man eine h�here Akademikerquote erreichen m�chte.
Das Interview f�hrte Sarah Strohschein, tagesschau.de Erschienen am 15.02.2007 in tagesschau.de zurück | quelle
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