Hamburgisches Hochschulgesetz teilweise verfassungwidrig

Das Bundesverfassungsgericht hat mit seiner heute veröffentlichten Entscheidung zum Hamburger Hochschulgesetz erstmals der immer weitreichenderen Übertragung von Kompetenzen von den Selbstverwaltungsgremien auf Top-Down orientierte Leitungsstrukturen Grenzen gesetzt und Teile der Änderungen aus dem sogannten Fakultätengesetz für verfassungswidrig erklärt.

Geklagt hatte der Strafrechtsprofessor Michael Köhler, dem wir zum Erfolg seiner Verfassungsbeschwerde gratulieren möchten. Möglicherweise gebührt aber der früheren Uni-Präsidentin Monika Auweter-Kurtz (Raketenmoni) Dank dafür, dem Gericht ungewollt deutlich zu machen, dass die Bedenken gegen ein Durchregieren von oben mehr als nur Verschwörungstheorie sind. Erinnert sei an den Maulkorberlass und die Nichtbestätigung des Dekans Gutmann.

Noch 2004 hat das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung zum Brandenburgischen Hochschulgesetz die Türen für den neoliberalen Umbau der Hochschulen weit geöffnet. Der damalige Hamburger Wissenschaftssenator Dräger (2001-2008) hat es offenbar mit seinem Fakultätengesetz geschafft, die imaginäre rote Linie des gerade noch Hinnehmbaren zu überschritten.


In den Leitsätzen der Entscheidung heißt es:

  1. Die Sicherung der Wissenschaftsfreiheit durch organisatorische Regelungen verlangt, dass die Träger der Wissenschaftsfreiheit durch ihre Vertreter in Hochschulorganen Gefährdungen der Wissenschaftsfreiheit abwehren und ihre fachliche Kompetenz zur Verwirklichung der Wissenschaftsfreiheit in die Universität einbringen können. Der Gesetzgeber muss daher ein hinreichendes Niveau der Partizipation der Grundrechtsträger gewährleisten.
  2. Das Gesamtgefüge der Hochschulverfassung kann insbesondere dann verfassungswidrig sein, wenn dem Leitungsorgan substantielle personelle und sachliche Entscheidungsbefugnisse im wissenschaftsrelevanten Bereich zugewiesen werden, dem mit Hochschullehrern besetzten Vertretungsgremium im Verhältnis hierzu jedoch kaum Kompetenzen und auch keine maßgeblichen Mitwirkungs- und Kontrollrechte verbleiben.

Das sieht Karlsruhe im Hamburger Hochschulgesetz nicht mehr als gegeben und erklärt wesentliche Passagen der §90 und §91 HmbHG als verfassungswidrig. Die beanstandeten Passagen sind im folgenden rot markiert:

 

§ 90 Dekanat

(1) Das Dekanat leitet die Fakultät. Es besteht aus einer Dekanin oder einem Dekan, Prodekaninnen oder Prodekanen sowie einer Geschäftsführerin oder einem Geschäftsführer. Die Dekanin oder der Dekan wird vom Präsidium ausgewählt und vom Fakultätsrat bestätigt. Prodekaninnen oder Prodekane sowie Geschäftsführerin oder Geschäftsführer werden auf Vorschlag der Dekanin oder des Dekans vom Präsidium bestellt. Die Amtszeit der Dekanin oder des Dekans sowie der Geschäftsführerin oder des Geschäftsführers beträgt fünf Jahre, die der Prodekaninnen oder Prodekane drei bis fünf Jahre. Die Hochschule kann in der Grundordnung von den Sätzen 3 und 4 abweichende Bestimmungen treffen; diese Bestimmungen müssen jedoch mindestens die Zustimmung des Präsidiums zur Wahl der Dekanin oder des Dekans und der Geschäftsführerin oder des Geschäftsführers sowie die Zustimmung der Dekanin oder des Dekans zur Wahl oder Bestellung der Prodekaninnen oder Prodekane und der Geschäftsführerin oder des Geschäftsführers vorsehen.

(5) Das Dekanat nimmt folgende Aufgaben wahr:

1. Bewirtschaftung der vom Präsidium der Fakultät zugewiesenen Haushaltsmittel und Entscheidung über die Zuordnung von Stellen innerhalb der Fakultät,

 

2. Überprüfung der zukünftigen Verwendung der Stelle bei freien oder frei werdenden Professuren und Juniorprofessuren nach § 14 Absatz 1 auf der Grundlage des Struktur- und Entwicklungsplans der Hochschule sowie Beschlussfassung über Berufungsvorschläge und Vorschläge für Bleibevereinbarungen, (nur die 1. Alternative)

3. Erstellung von Vorschlägen für die Gewährung von Leistungsbezügen an Professorinnen und Professoren nach dem Hamburgischen Besoldungsgesetz vom 26. Januar 2010 (HmbGVBl S. 23) in der jeweils geltenden Fassung,

4. Entscheidungen über die Lehrverpflichtung,

5. Erstellung eines Rechenschaftsberichts gegenüber dem Fakultätsrat nach Ablauf eines Kalenderjahres,

6. Erstellung von Vorschlägen über die Organisation in der Fakultät und für die Fakultätssatzung gemäß § 92 Absatz 1,

 

7. alle sonstigen Aufgaben der Fakultät, die nicht vom Fakultätsrat wahrzunehmen sind.

 

§ 91 Fakultätsrat

 

(2) Der Fakultätsrat hat neben der Bestätigung der Dekanin oder des Dekans folgende Aufgaben:

 

1. Erlass, Änderung und Aufhebung von Hochschulprüfungsordnungen, Studienordnungen und Satzungen nach den §§ 37 bis 40,

 

2. Erlass, Änderung und Aufhebung von Satzungen nach § 10 Absatz 1 des Hochschulzulassungsgesetzes vom 28. Dezember 2004 (HmbGVBl S. 515), zuletzt geändert am 6. Juli 2010 (HmbGVBl S. 473, 476), in der jeweils geltenden Fassung,

 

3. Entscheidung über die Einrichtung, Änderung und Aufhebung von Studiengängen im Rahmen des Struktur- und Entwicklungsplans der Hochschule,

 

4. Entscheidung über die Organisation in der Fakultät gemäß § 92 Absatz 1 einschließlich des Erlasses der Fakultätssatzung,

 

5. Entscheidung über die Einrichtung, Änderung und Aufhebung von einzelnen Selbstverwaltungseinheiten in Lehre und Forschung,

 

6. abweichend von § 85 Absatz 1 Nummer 7 Stellungnahme zu Berufungsvorschlägen und die Aufstellung von Vorschlägen für die Verleihung der akademischen Bezeichnung „Professorin“ oder „Professor“,

 

7. Wahl von Gleichstellungsbeauftragten,

 

8. Entgegennahme des Rechenschaftsberichts und Kontrolle des Dekanats,

 

9. Stellungnahme zu allen Angelegenheiten der Fakultät.

Die Entscheidung kann unter auf der Internetseite des Bundesverfassungsgerichts nachgelesen werden.