AStA-"Gleichstellungsbeauftragte" und ihre "Männertage"

Johanna Tensi, "Gleichstellungsbeauftragte" des AStA der Universität Hamburg setzt sich nicht mit wichtigen gleichstellungspolitischen Themen auseinander und hat ein ein sehr seltsames "Männerbild": Sonst hätte sie dem Süddeutsche-Zeitung-Ableger jetzt.de nicht ein solches Interview gegeben ("Die Herausforderung, Mann zu sein"). Sonst hätte sie keinen solchen Artikel zu den Männertagen im letzten „AStAblatt“ (leider nicht online verfügbar) veröffentlicht und schon gar nicht hätte sie die „Männertage“ so gestaltet. Sonst hätte sie außerdem die Fragen der Opposition in der letzten Sitzung des Studierendenparlament (Videomitschnitt, etwa ab Minute 46:40 [Fragen]/95:25 [Johanna Tensi]) anders beantwortet. So nimmt sich Regenbogen/Alternative Linke im Folgenden heraus, Tensis Interview zu zerpflücken und schließlich einige Schlussfolgerungen daraus zu ziehen:


Interview mit jetzt.de: Johanna Tensi

Kommentar von Regenbogen/AL


jetzt.de: Johanna, du bist Gleichstellungsbeauftragte an der Uni. Eine deiner Aufgaben ist es, gegen Diskriminierung an der Uni vorzugehen. Kamen in letzter Zeit mehr Männer mit ihren Sorgen zu dir?


Johanna: Nein. Um ehrlich zu sein, bin ich in meinen Sprechzeiten noch nie besucht worden. Weder von einem Mann noch von einer Frau. 

Das ist schade. Aber reine Angebote haben eben noch nie die Verhältnisse verändert.  Gleichstellungspolitik muss politisch sein und darf sich nicht auf studentische Beratungsangebote beschränken. Beratung ist kein Selbstläufer, sondern funktioniert – gerade bei diesem Thema – erst im Rahmen eines Solidarzusammenhangs. So wundere mensch sich nicht über ausbleibenden Sprechstundenbesuch!

Warum nicht? Wird niemand benachteiligt oder trauen sich die Studenten nicht?

 

Ich denke schon, dass es Studierende gibt, die mit Diskriminierung konfrontiert werden. Warum sie nicht zu mir kommen, weiß ich nicht. Vielleicht gehen sie mit diesen ernsten Problemen lieber zu einer professionellen Beratung.

 

 

Tatsache – es gibt Diskriminierung?

Im Ernst: Professionelle Beratung ist wichtig und studentische Selbstorganisation kann hierzu keine Konkurrenz sein. Die Idee nicht-"professioneller" Beratung aber hat, wie gesagt, etwas mit solidarischen und selbstgestalteten Strukturen zu tun und hat eine andere, niedrigschwellige Funktion als die Arbeit Professioneller. Deshalb lehnen wir das Konzept Gleichstellungsbeauftragte in seiner vereinzelten Ausrichtung als das genaue Gegenteil von möglichen gemeinsam gestalteten Solidaritäten ab.

Drei Tage lang geht es trotzdem um die Männer. Warum?  
Weil Männer so eine Veranstaltung verdient haben. Sonst wird tendenziell mehr über die Frau und ihre Sorgen gesprochen. Man darf das andere Geschlecht aber nicht vergessen. Schließlich haben sich auch für Männer viele Veränderungen mit der Emanzipation der Frau ergeben. Viele sind unzufrieden geworden mit dem, wie ihr Leben abläuft. Sie fühlen sich überlastet, gestresst, ausgepowert, innerlich leer und stellen sich viele Fragen.

Womit haben "wir Männer" "uns" das denn verdient? Wer hat "uns" denn vergessen?

Von welcher "Emanzipation der Frau" ist hier die Rede? Wenn Tensi die Beseitigung patriarchaler Strukturen meint: Weder ist diese abgeschlossen, noch kann sie Grund dafür sein, dass sich Männer innerlich leer fühlen. Es geht um die Emanzipation von Rollenbildern und die Abschaffung eines unmenschliches Systems, nicht um's Grenzziehen beim Sandburgenbauen.

Und diese sollen auf den Männertagen der Asta Hamburg beantwortet werden?

 

Zumindest wollen wir für die männlichen Fragen und Probleme sensibilisieren und einen Raum für Austausch schaffen. Dies tun wir mit Infoständen vor dem Audimax, Workshops zu Stimme und Präsentation, Fitness und Kochen sowie Vorträgen zu Themen wie zum Beispiel "Männer als Opfer von Gewalt".

Und jetzt: Männer. Was machen wir also? Lasst uns einfach Konzepte des Kampfes gegen strukturelle Benachteiligung "der Frau" innerhalb der patriarchalen Gesellschaft auf "den Mann" übertragen! Ey – vielleicht noch einen Kochkurs dazu?!

Sensibilisierung für Probleme "männlicher" Rollenausübung in allen Ehren: doch hier werden einerseits Stereotype manifestiert und andererseits Konzepte aus der Frauenarbeit unreflektiert übernommen – so geht’s nicht!

Erleben Männer häufig Gewalt?  

Tatsache ist, dass Gewalt gegen Männer häufiger vorkommt, als man denkt. Leider ist das ein Tabuthema, über das nicht gesprochen wird. Am wenigsten sprechen die Betroffenen selbst darüber, weil sie sich schämen oder Angst haben als "Schwächlinge" dazustehen. Kein Mann gibt gerne zu, dass er von seiner Frau unterdrückt, misshandelt oder geschlagen wird.

 

Aufmerksamkeit für ein wenig diskutiertes Thema – wie Gewalt gegen Männer – zu schaffen, ist ein ehrenwertes Unterfangen. Dies über Männer-Selbstverteidigungskurse an der Uni zu tun, halten wir gleichwohl für grundfalsch.

Und wozu wird gekocht?  

Damit kommt der „neue Mann“ ins Spiel, der das traditionelle, hegemoniale Rollenbild überwindet. Durch das gemeinsame Kochen soll die Brücke zur bisher klassisch weiblichen Aufgabe, dem Kochen, geschlagen werden. An diese sollte sich der Mann von heute gewöhnen.


Wir erwarten von unseren Kommiliton_innen, dass sie Kochen im Jahre 2010 nicht mehr als Definitionsmoment einer Rolle verstehen. Insofern sind wir auch nicht der Ansicht, dass Männerkochkurse ein Beitrag zur Abschaffung hegemonialer Rollenbilder sind. Aber das nur am Rande.

 

Wie muss man sich den "neuen Mann" vorstellen?  

Die Gleichungen "Frauen sind gleich Kinder, Küche, Kirche" und "Männer sind gleich Brotverdiener" gehen nicht mehr auf. Die Frauen drängen in die Arbeitswelt, brechen ihr Rollenbild auf und nehmen einen Teil des männlichen an. Der Mann ist also nicht mehr der einzige und dominante Verdiener. Er sollte über Probleme und Schwächen reden können, seine Frau in ihrer Suche nach Unabhängigkeit und Gleichheit unterstützen. Zugleich heißt das aber auch, dass er einen Teil des "Weiblichen" annehmen muss - vor allem, was die Aufgaben in Haushalt und Kindererziehung betrifft.

Ergüsse hybrid gedachter Banalitäten – diese Art der Diskussion lehnen wir ab.

Nehmen auch Frauen teil?  

Natürlich sind auch die Frauen Teil des Prozesses zum neuen Mannsein. Wichtig ist, dass sie die neue Rolle der Männer nicht nur fordern, sondern diese auch mit ihren "Schattenseiten" - wie "ausgelaugt sein" auf Grund der vielen neuen und anstrengenden Aufgaben - akzeptieren und aktiv daran mitarbeiten. Also sind sie herzlich zu den Infoständen und Vorträgen eingeladen. Die Workshops aber, sind speziell nur für die Männer gedacht.


Die armen Männer, die jetzt auch mal ihr Kind wickeln oder Liebe geben müssen! Sowas erzeugt schon ein Gefühl des Ausgelaugtseins.

Wie viele machen da mit?
 
Bisher habe ich erst sehr wenige Anmeldungen erhalten. Ich befürchte, dass sich viele nicht trauen. Dennoch habe ich auch positive Stimmen gehört, die es gut finden, dass endlich mal die Männer dran sind. Sonst gehe es ja immer nur um Frauen und die Emanzipation.

"Sonst geht es ja immer nur um Frauen und die Emanzipation."

Ja mei, scheiß auf Anmeldezahlen. Tensis Männertage sind in dieser Form ein Paradebeispiel unemanzipierter Rollenbilder.

Ganze „männerspezifisch“ relevante Themenbereiche (wie bspw. geschlechtsbewusste Pädagogik oder gesellschaftliche Rollenerwartungen, die einer gemeinschaftlichen Eltern-Praxis zuwiderlaufen) wurden gar gänzlich ignoriert.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 




Immerhin: Männer hatten auch mal ihre Tage!


Die "Gleichstellungsbeauftragte" des Oxmox-AStA findet Gleichberechtigung gut, findet „beide Geschlechter“ sollten Herausforderungen gemeinsam bewältigen. Soweit, so mittelprächtig. Ihr konkretes Projekt – wie ihre inhaltlichen Aussagen zum Thema Gleichstellungspolitik – sind jedoch hochgradig angreifbar. Tensi bekommt hiermit den Titel der "Gleichstellungsbeauftragten" von Regenbogen/AL ganz inoffiziell aberkannt.

Aber: Nicht nur die jetzige "Gleichstellungsbeauftragte" ist inkompetent, sondern für das Konzept Gleichstellungsbeauftragte des jetzigen AStA wurde erneut bewiesen, dass es scheitern muss. Eine "Gleichstellungsbeauftragte" im AStA, die ihren Job ernst nehmen würde, träte umgehend zurück!

Frauen-/Gleichstellungspolitik ist keine Stellvertreter_innenpolitik, sondern eine Aktivität der solidarischen Hinterfragung. Die Isolation von Frauen-/Gender-/Gleichstellungs- und Queerthemen voneinander ist eines der Armutszeugnisse des AStA: Frauenpolitik muss endlich wieder Teilautonom praktiziert werden, eine aktive Gleichstellungs- und Lebensweisenpolitik des AStA hieße dann, auf Basis der Teilautonomie von Frauen- und Queer-Referat mit Betroffenen gemeinsam Politik zu machen und die Bedingungen für eine solidarische Beratung herzustellen.